31.05.2011 Aus Frieden ist Freundschaft geworden

Am Wochenende feiert die Städtepartnerschaft von Schwaikheim und Gorron ihr 25-jähriges Bestehen
Jugendliche fahren häufig nach Gorron, ältere Schwaikheimer kennen oft schon die zweite Generation der Freunde aus der kleinen Stadt, überhaupt ist es nichts Ungewöhnliches mehr, nach Frankreich zu fahren. Das ist gut. Denn dass sich Menschen einst verfeindeter Nationen befreunden, war zunächst nicht zu hoffen. Am Samstag feiert die Partnerschaft ihr 25jähriges Bestehen. Ein Grund zu feiern.
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Große Sympathien für Frankreich hatte Willi Lidle zunächst nicht, als er 1948 nach Schwaikheim zurückkehrte. „Wiedergutmachungsarbeit“ hatte der Löwen-Wirt in Frankreich geleistet, hatte unter anderem im Bergwerk unter Tage Kohle abbauen müssen. Dem Lager vorangegangen waren eine Odyssee durch das zerstörte Deutschland, und der verlorene Krieg. Da gibt es Erinnerungen, sagt der alte Herr, „die kommen einem immer wieder nuff“. Wie Willi Lidle ist es unzähligen Männern ergangen. Vielen war klar: Was sie erlebt hatten, sollte sich nie mehr wiederholen.

In der großen Politik unterzeichneten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer einen Freundschaftsvertrag. Kriegsteilnehmer beider Länder wurden aufgefordert, Kontakt aufzunehmen. In Schwaikheim hörten die Heimkehrer, dass die kleine Stadt Gorron im Departement Mayenne sich einen Heimkehrerverband aus dem Raum Stuttgart als Partner wünschte. 1967 trafen sich Mitglieder des Schwaikheimer Heimkehrerverbands mit ehemaligen Frontkämpfern und Kriegsgefangenen aus Gorron. Ein Jahr später kamen französische Gäste zum Gegenbesuch. Willi Lidle bot ein Quartier an. Ein erstes Angebot, dem später viele folgen sollten, denn die Familie freundete sich mit Gästen aus Gorron an. Man besuchte ihn öfter, blieb länger. Kost und Logis waren umsonst, Ehrensache. Die Heimkehrerverbände beurkundeten eine Partnerschaft im Mandolinenclubheim.

Arbeitskreis machte die Freundschaft noch bekannter

Das fand ein Echo im Ort. Bald fuhr eine Jugendgruppe der Heimkehrer nach Gorron, dann fuhren die Fußballer zum Freundschaftsspiel, der Handels- und Gewerbeverein knüpfte Kontakt. Schnell war klar: Feste Ansprechpartner mussten her, um die Aktivitäten zu bündeln. 1976 wurde der „Arbeitskreis Partnerschaft Schwaikheim-Gorron“ aus der Taufe gehoben. Er machte die Freundschaft bekannter, und der Musikverein, die Radsportler, die Feuerwehr und andere kamen dazu.

Die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit der Gorroner beeindruckte, man lud ein und wurde eingeladen. Auch zwischen den Rathäusern und den Bürgermeistern Lothar Krüger und Maurice Dufour entspann sich ein guter Faden. Diese Tradition führen heute Gerhard Häuser und sein Amtskollege Jean-Marc Allain fort.

Anfang der 80-er Jahre wurden Gorroner Jugendliche zum Zeltlager eingeladen. Es war zunächst schwer, Quartiere in Familien zu bekommen, denn es haperte mit der Sprache. Das gab sich später, mancher, wie Anneliese Krusch vom Heimkehrerverband lernte noch mit 70 Jahren Französisch.

Unsicherheit, ob die Mehrheit den Deutschen würde vergeben können

Der Anstoß, die Partnerschaft offiziell zu machen, kam aus Gorron. Zwar war sich der dortige Bürgermeister nicht ganz sicher, ob die Mehrheit schon bereit war, den Deutschen zu vergeben, erinnert sich Lothar Krüger. Dazu kam die Sorge auf beiden Seiten, ob die Freundschaft über die Distanz von 1000 Kilometern Bestand haben würde, ob die Sprachbarriere zu groß sein könnte.

Und doch: 1986 haben die Bürgermeister die Partnerschaftsurkunde unterzeichnet. „Durch unsere Bemühungen wollen wir zu einer glücklicheren Zukunft in einem vereinten Europa beitragen“, heißt es darin.

Heute ist klar: Es war eine gute Entscheidung. Den Jugendaustausch gibt es nach wie vor, die Gäste werden längst privat untergebracht. „Irgendwie geht es doch immer“, versichert Tilo Schmid, der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. Viele Jugendliche sind spontan nach Schwaikheim gekommen, haben hier gezeltet oder sich einen Ferienjob gesucht, weiß die langjährige Vorsitzende Renate Sziede, die häufig ein Bett aufgeschlagen oder eine Aushilfsarbeit bei Schefenacker vermittelt hat. Auch die einstige Vorsitzende Inge Bregler erinnert sich an einen Gast aus Gorron, der nur „Bregler“ sagen konnte und sich zu ihr durchfragte, wo er ein Quartier bekam.

Seither sind Jahre vergangen. Inzwischen kommen die Kinder ehemaliger Zeltlagergäste, auch Willi Lidle hat Gorron besucht. Für die Jugend ist ein Ausflug ins Nachbarland längst nichts Außergewöhnliches mehr. Eine Normalität, die Alt-Bürgermeister Lothar Krüger freut, zeigt sie doch, dass man sich auch im Kleinen dem großen Ziel genähert hat. „Wenn eine jahrhundertealte Feindschaft dadurch ausgemerzt wird, da ist doch was erreicht.“