Jugendaustausch 1981

Jugendaustausch 1

 

Laissez-faire im Schwabenland

von Harald Gruber

An einem Freitagmorgen im Zeltlager der 40 jungen Gorroner bei der Radsporthalle. Am besten gefällt den französischen – Teenagern „das Freibatt“ – Heute geht’s zu den Familien.

„Bonjour“, werde ich an der Eingangstür zur Schwaikheimer Radsporthalle von einem knapp fünfzehnjährigen Teenager mit Augen so groß wie Stecknadelköpfe begrüßt. Die Zelte sind alle noch „dicht“, es ist kurz vor neun. In der Halle drinnen sind die Tische schon gedeckt, in der Küche dampft ein großer Milchtopf, Kaffee duftet aus deckellosen Thermoskannen. „Die schlafen alle noch“, lacht Inge Bregler, erste Vorsitzende des Arbeitskreises Partnerschaft Schwaikheim-Gorron, seit dem Beginn der Zeltfreizeit der 40 jungen Franzosen zusammen mit einer ganzen Gruppe anderer Schwaikheimer voll im Einsatz. „C‘est prêt?“ Ist das Frühstück fertig? Die Leiterin der Zeltfreizeit steckt den Kopf zur Tür herein, keine fünf Minuten später herrscht in der Radsporthalle Hochbetrieb.

Zwei rotblonde Mädchen mit Zöpfen stürmen in die Küche, zielstrebig auf die Kaffeekannen zu. „Halt, der Kaffee ist zu stark für Euch, da könnt ihr abends nicht schlafen“, versucht Inge Bregler zu protestieren, „Ah non, c’est le matin“, nein nein, morgens macht das nichts, winkt die französische Lehrerin ab. Ob es nicht ziemlich schwer ist, auf vierzig so wuselige Teenager aufzupassen, will ich wissen. „Non, pas du tout“, überhaupt nicht. „Die passen selber auf sich auf“. Gelächter.

Jugendaustausch 2

Es ist jetzt Halbzeit beim zweiwöchigen Aufenthalt der jungen Franzosen aus der Bretagne hier im Schwabenland., Heute abend, wenn die vom Ganztagesausflug auf die Schwäbische Alb zurückkommen, werden sie übers Wochenende bei Schwaikheimer Familien wohnen. Die meisten freuen sich schon. „Ich bin gespannt drauf, wie es in deutschen Familien so zugeht“, meint Marylène, 14 Jahre alt, und überlegt sich, ob sie jetzt die Kabaschüssel in die Hand nehmen und austrinken darf, wenn da doch jemand von der Zeitung dabei ist. Was ihnen bis jetzt am besten gefallen hat, möchte ich wissen. „La piscine, das Freibatt“, Ronan 15, Glivier 14, und Laurence 14, sind sich einig. Ist‘s nicht ein bisschen zu kalt? Ronan: „Wenn man nur zwei-, dreimal reinspringt, und dann ein paarmal hin- und herschwimmt, dann nicht. Aber man wird richtig wach dabei, besonders morgens.“

„Wir müssen uns beeilen, Monsieur Krusch ist schon da“ sagt einer. Der Schwaikheimer Polizist will mit zehn Jungs in den Wald , zum Holz holen. „Am Dienstag machen wir ein Lagerfeuer im Sängergarten, und damit das Holz etwas abtrocknet, holen wir’s schon heute“, sagt Inge Bregler. Und natürlich wird draußen schon einmal das grünweiße Auto des „flic“ begutachtet. Nach dem Frühstück geht’s ans Abwaschen, die Mädchen sind unter sich. „Wo sind denn die Jungs?“ frage ich und bekomme prompt die Antwort: „Beim Holzholen.“ Ich will gerade gehen, da wird mir doch noch ein Bub präsentiert, so wie’s aussieht, der Jüngste. „Er hält die Fahne der Emanzipation hoch.“