22.05.2007 Noch immer Gänsehaut, wenn der Bus hupt

Die Vorsitzenden der Partnerschaftsvereine und ihre Vorgänger über 20 und noch mehr Jahre Gorron-Schwaikheim

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Nicht nur Tischnachbarn: Joseph Poirier (2.v.l.) und Tilo Schmid (2.v.r.). Bild: Pavlovi´c

Von unserer Mitarbeiterin Susanne Haag

Schwaikheim. Seit 20 Jahren ist die Partnerschaft zwischen Schwaikheim und dem französischen Gorron nun offiziell. Wie erinnern die amtierenden Vorsitzenden der beiden Partnerschaftsvereine und ihre Vorgänger die Geschichte und wie schätzen sie die Zukunftsaussichten der Verbindung ein?

Die Städtepartnerschaft zwischen Schwaikheim und Gorron sei ja das „Erbe aus den Begegnungen der Kriegsheimkehrer“, erklärt Robert Pirault, der acht Jahre lang Vorsitzender des französischen Partnerschaftsvereins in der 3000-Einwohner-Gemeinde 300 Kilometer westlich von Paris war. Er betont die Leistung der ehemaligen Erzfeinde, die selbst den Krieg erlebt hatten und nur ein Ziel hatten: die beiden verfeindeten Völker näher zu bringen.

Der heute 75-jährige Pirault hatte selbst als Neunjähriger erlebt, wie die Deutschen nach Gorron kamen. Bewegt erzählt er vom Lazarett in der Stadt und dass er gesehen hatte, wie sich „die Leichen bis zur Decke stapelten“. Die deutschen Soldaten seien aber freundlich gewesen, betont er. Deshalb seien bei ihm keine Rachegefühle zurückgeblieben. Er kennt aber Leute, die nie etwas mit der Partnerschaft zu tun haben wollten, weil sie im Krieg Verwandte verloren hatten. Aus diesem Grund ist es für ihn wie auch für die langjährige Vorsitzende des Partnerschaftsvereins in Schwaikheim, Renate Sziede, besonders wichtig, dass die Städtepartnerschaft nicht mehr gelöst werden kann, auch wenn es in den deutsch-französischen Beziehungen politische Probleme gäbe. Renate Sziede, die zehn Jahre an der Spitze des Vereins stand, wünscht vor allem, dass die Gemeinde weiter hinter der Verbindung zu Gorron steht, „denn ein Verein alleine schafft das nicht“.

Bereits seit 1980 ist die 65-Jährige in der Partnerschaft aktiv. Deshalb war sie wie Pirault und die beiden amtierenden Vereinsvorsitzenden Joseph Poirier und Tilo Schmid auch bei der feierlichen Besiegelung der Partnerschaft 1987 in Schwaikheim dabei. Tilo Schmid erinnert sich noch gut an den Umzug durch den Ort und die Einweihung des Gorroner Platzes. Für ihn wie für seine Kollegen ist die Partnerschaft „ein Teil meines Lebens“. In Frankreich hatte der 42-Jährige bereits beim ersten Jugendaustausch des Arbeitskreises viele Freunde gefunden, etwas ganz Besonderes, das ihn sonst mit keinem anderen Land verbindet.

Mit Schmid und seinem 52-jährigen französischen Kollegen Joseph Poirier hat eine neue Generation die Verantwortung für die internationalen Begegnungen übernommen. Die Partnerschaft für alle Vereine öffnen möchte Poirier. „Dass so viele Leute nach Schwaikheim gekommen sind, ist ein Beweis dafür, dass es klappt“, konstatiert er zufrieden. Und dass alle 100 Gorroner Musiker, Feuerwehrleute, Gemeinderäte und Mitglieder des Partnerschaftsvereins ohne Probleme für drei Nächte untergebracht werden konnten, sei das Ergebnis des Prozesses, den die ehemaligen Kriegsgefangenen und Heimkehrer begonnen hätten.

Aber nicht immer gehen die Bemühungen der Völkerverständiger auf. Renate Sziede und Tilo Schmid zum Beispiel bedauern, dass es den Schwaikheimern immer schwerer fällt, Jugendliche für einen Aufenthalt in Gorron zu begeistern. Dabei ist der Jugendaustausch die zentrale Aktivität der beiden Partnerschaftsvereine. Das große Angebot an Urlaubszielen spielt dabei eine Rolle, das Sprachproblem kommt dazu. Und Robert Pirault hätte sich gewünscht, dass der Kontakt mit dem Bund der Selbstständigen in Schwung kommt.

Die vier Engagierten wünschen sich deshalb, dass noch mehr Vereine am Austausch teilnehmen. Dazu laden sie zu den jährlichen Partnerschaftssitzungen, die abwechselnd in Deutschland oder Frankreich stattfinden, die Organisationen ein, die Kontakt zum anderen Land suchen. Weil sie wissen, dass man für diese Kontaktanbahnungen langen Atem braucht, wünschen sich Pirault und Sziede zum 20-jährigen Bestehen, dass sich immer Mitstreiter finden, die weitermachen. Wie die ehemalige Vorsitzende, die nach über 20 Jahren immer noch vor Freude Gänsehaut bekommt, wenn der Bus aus Gorron hupt und vorfährt.